So vielfältig wie das Leben sind auch die Formen des Gebets.
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Formen des Gebets
Klage und Lob
So vielfältig wie das Leben sind deshalb auch die Formen des Gebetes: Bitte und Dank, Lob und Klage - all das hat hier seinen Platz. Gegenstand des Gebets kann alles sein: Fragen, Hoffnungen und innerste Wünsche. Oder wir beten für Menschen, deren Schicksal uns bewegt, und die vielleicht selbst gerade nicht beten können. Dann stehen wir stellvertretend für sie ein. Manchmal hat das Gebet keinen Gegenstand außer Gott. Dann ist es reine Anbetung und Lob.
Es gibt Gründe genug, Gott zu danken: für unser Leben in Sicherheit und Frieden, unsere Familien und Freunde, Momente der Freude. Vielen Menschen ist das heute sehr bewusst. Es ist nicht selbstverständlich, glücklich zu sein. Um das im Alltag nicht aus den Augen zu verlieren, lohnt es sich, sich am Abend eines Tages einmal ausdrücklich bewusst zu machen, wie viel Schönes er gebracht hat. Angesichts der Nachrichten aus aller Welt melden sich Anlässe zum Danken meistens leiser zu Wort als die Anlässe zur Klage. Deswegen hat es Dorothee Sölle als geistliche Übung betrachtet, jeden Tag drei Dinge zum Danken zu finden. Dank ist mitgeteilte Freude. Deswegen leben Menschen, die Gott danken, glücklicher und intensiver.
Psalm 139,14:
Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin. Wunderbar sind deine Werke, das erkennt meine Seele.
„Niemand unter den Sterblichen ist so groß, dass er nicht in ein Gebet eingeschlossen werden könnte“ (Bertolt Brecht). Für andere zu beten und Gott zu bitten, ist ein entscheidendes Element des Gebets. Fürbitte zeigt vielleicht nicht genau die erwünschte, aber doch sicherlich eine Wirkung. Sie trägt die, für die gebetet wird, spürbar. Allein zu wissen, dass andere im Gebet an mich denken, gibt mir festen Boden unter den Füßen, gerade wenn ich selbst in dem Moment nicht beten kann. Fürbitte verändert auch die Betenden: Sie weitet ihren Blick und öffnet ihr Herz für andere.
Psalm 61, 7-8:
Du wollest dem König langes Leben geben, dass seine Jahre währen immer für und für, dass er immer bleibe vor Gott. Erzeige ihm Güte und Treue, die ihn behüten.
„Wenn Gott dich nicht erhören wollte, würde er dich nicht beten heißen...“ (Martin Luther). Auch die Bitte für uns selbst hat im Gebet ihren Platz. Gott, der uns zu seinem Ebenbild geschaffen hat, ist unser Glück und Unglück, unsere Freude und unser Leid nicht gleichgültig. Wie sollen wir Gott nicht für uns selbst bitten dürfen? Um seine Begleitung und Zuneigung, um seine Nähe in unseren großen und auch den kleineren Nöten. Wer zu Gott betet, der weiß, dass Gott ihm zuhört, auch wenn er vielleicht auf eine Antwort lange warten muss. Doch manche Frage klärt sich im Gespräch mit Gott – und sei es das mühsame Einverständnis, dass letztlich sein "Wille geschehe". „Nicht alle unsere Wünsche, aber alle seine Verheißungen erfüllt Gott“, sagt Dietrich Bonhoeffer.
Psalm 86, 3-5
Herr, sei mir gnädig; denn ich rufe täglich zu dir. Erfreue die Seele deines Knechts; denn nach dir, Herr, verlangt mich. Denn du, Herr, bist gut und gnädig, von großer Güte allen, die dich anrufen.
Manchmal berührt uns das Schicksal von Mitmenschen so, dass wir Gott nicht verstehen. Manchmal ist die Not so groß, dass nur noch die Klage bleibt. Gott persönliches Leid oder das Leid dieser Erde zu klagen, Fragen und Zweifel, Sorgen und Kummer vor ihm auszuschütten hat ebenso seine Berechtigung wie ihn zu loben und zu preisen. Die leise oder laute Klage vor Gott entlastet unser Herz und findet Gottes Ohr. Die Beterinnen und Beter der Psalmen oder Hiob können uns die Klage vor Gott lehren. Sie hadern mit Gott, sie rechten mit ihm und sie fordern sein Eingreifen in ihre Not. Jesus selbst griff am Kreuz auf die Klage der Psalmen zurück.
Psalm 22,2 und 3
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne. Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.“
Wenn ein Mensch betet, dann öffnet er Gott sein Innerstes. So schließt das Gebet auch die Selbstbesinnung ein: Wer bin ich vor Gott – mit meinen Licht- und Schattenseiten? Wer betet, setzt sich dem klaren Licht der Liebe Gottes aus. Schonungslos auf sich selbst zu blicken ist nicht leicht und kostet oft Überwindung. Nur weil er um das Erbarmen Gottes weiß, kann der Betende selbst barmherzig auf seine dunklen Seiten blicken und sich fragen: „Wo war ich nur mir selbst der Nächste und habe die übersehen, die mein Leben teilen? Wo habe ich andere verletzt, wo habe ich ihnen geschadet? Wo habe ich Gott und seinen Willen vernachlässigt? Wo habe ich seine Liebe verwirklicht?“ Im Gebet erfahren Menschen heilsame, entlastende Selbsterkenntnis.
Psalm 139, 1-4:
HERR, du erforschest mich und kennest mich. Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; du verstehst meine Gedanken von ferne. Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege. Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, HERR, nicht schon wüsstest.
Gott anzubeten, ihn zu loben und zu preisen um seiner selbst willen, ist Ausdruck des Glaubens. Weil Gott ist und weil Gott Gott ist, gebühren ihm Anbetung, Lob und Preis. Wir stimmen damit ein in den Lobgesang der "himmlischen Heerscharen", die Gott allezeit die Ehre geben. Wir reihen uns - alleine oder gemeinsam - ein in den Chor derer, deren Lobpreis Gottes nie verstummt.
Psalm 150:
Halleluja!
Lobet Gott in seinem Heiligtum,
lobet ihn in der Feste seiner Macht!
2Lobet ihn für seine Taten,
lobet ihn in seiner großen Herrlichkeit!
3Lobet ihn mit Posaunen,
lobet ihn mit Psalter und Harfen!
4Lobet ihn mit Pauken und Reigen,
lobet ihn mit Saiten und Pfeifen!
5Lobet ihn mit hellen Zimbeln,
lobet ihn mit klingenden Zimbeln!
6Alles, was Odem hat, lobe den HERRN! Halleluja!
26.06.2014
Anne Lüters